Donnerstag, 6. September 2018

Tag 9: Donnerstag, Sechster Reittag


Man merkt, dass wir uns Gegenden unter 1500 Höhenmetern nähern: Der heutige Morgen ist bereits ungewohnt warm. Und auch wenn unser Quartier gestern Abend noch etwas ungemütlich wirkte, der morgendliche Blick aus dem Zelt ist wieder mal herrlich!

Ein letztes mal frühstücken wir unser "Standard-Frühstück", ein letztes mal sammeln wir die Pferde ein, bepacken unsere Reit- und Packpferde und machen uns auf den Weg. Die Strecke besteht nur aus Straße (Schotterweg mit Schlaglöchern, weggeschobenen Erdrutschen etc.) immer am Fluss entlang, der ein paar mal durchquert werden muss und wir wechseln zwischen munterem Gequassel und wehmütiger Stille.
In den letzten 5 Tagen ist inzwischen jeder mit seinem Pferd "verschmolzen"; nachdenken braucht man nicht mehr; alles funktioniert automatisch: Es ist ein Gefühl, als würde man sich schon jahrelang in-und auswendig kennen, jede Reaktion vorhersagen können.
Ein bisschen erleichtert sind wir dann doch, dass es kaum möglich ist (aufgrund komplizierterer Laboruntersuchungen) ein Pferd aus Georgien zu importieren. Abgesehen davon ist es schwer vorstellbar, dass diese Pferde, die keine Zäune kennen und neun Monate im Jahr in Hochtälern auf über 2500 Metern frei herumlaufen in einem deutschen Offenstall glücklich werden würden...


Die Sonne scheint und Dato springt gelegentlich vom Pferd, weil ihm aus den Erdrutschen am Hang immer wieder mal etwas entgegenblitzt. Den aufgehobenen Bergkristall gibt er dann an uns Reiter weiter. Für die Einheimischen ist das nichts ungewöhnliches: Im Frühjahr nach der Schneeschmelze braucht man laut Datos Nichten nur "aufheben was glitzert", denn dann befinden sich regelmäßig mehrere Bergkristalle im "Straßengraben" der Hauptstraße (wenn man den Schotterweg so nennen kann).


Am frühen Nachmittag machen wir Pause an Datos Hütte, seiner "Außenstelle", die er im Mai aus selbst gesägten und verarbeiteten Bäumen gebaut hat und die durch Folie als Außenwand vor Wind und Wetter schützt. Stolz präsentiert er uns das Innere, einschließlich der selbst gebauten Hantelbank. Wieder wird uns bewusst, was für ein luxuriöses Leben wir doch in Deutschland führen.








Die Pause ist was das Kulinarische angeht heute ein Highlight. Unsere privaten Hamsterkäufe für den Notfall haben wir nicht gebraucht und verteilen somit alles auf dem Essenstisch: Kekse, Babybel, diverse Müsliriegel und Süßigkeiten; ein wahres Festmahl.








Die letzten Kilometer vergehen recht schnell, vorbei an den "weinenden Steinen" immer der Straße folgend.

Wir reiten durch Shatili, erreichen Datos Haus, satteln ab und begutachten nochmal unsere tapferen Bergponys: Alle 10 Pferde haben die Tour gut überstanden, sind genauso rund und gesund wie am Starttag (und das trotz "nur Berggras"), keines der Pferde ist lahm.
Und auch wir Reiter haben unser Erste-Hilfe-Pack verschlossen lassen können.

Und doch hat sich seit dem vergangenen Jahr etwas verändert: Dank der von Eva organisierten Reittouren und weiterer Unterstützung aus Deutschland konnte u.a. Hafer gekauft werden: Das zeigt sich natürlich sofort bei den leichtfuttrigen Ponys: das Fell glänzt und alle sehen gesund und munter aus -  besser als im Vorjahr. Auch die Ausrüstung hat sich verbessert und dank Winter-Praktikas in Deutschland hat Dato sowohl reiterlich als auch was das Beschlagen der Pferde betrifft dazugelernt. Es ist schon beeindruckend wie schnell und einfach sich Dinge positiv für Mensch und Tier verändern, wenn die Unterstützung auch direkt vor Ort ankommt.

Zufrieden schauen wir unseren Pferden nach, die sich genüsslich wälzen um dann in alle Himmelsrichtungen zu verschwinden. Jetzt sind wir an der Reihe: DUSCHEN! Nach 6 Tagen mit nur eiskalten kleinen Quellrinnsälen ist das ein ganz besonderes Highlight.
Bis zum Abendessen sind es noch 2 Stunden und... "wenn wir schon mal hier sind" wollen wir eigentlich noch zum "Nekropolis of Anatori", an dem wir am ersten Tag vorbeigeritten sind, zeitbedingt aber nicht anhalten konnten. Außerdem sind wir heute keinen Meter zu Fuß gegangen; sind somit fast schon etwas unausgelastet. Diese Meinung teilen nicht alle und so machen wir uns nur zu dritt auf den knapp 3 km langen Weg entlang des Flusses.

Die Bewohner von Anatori litten unter einer tödlich verlaufenden Seuche. Um weitere Dorfbewohner nicht anzustecken haben sie sich aus eigenem Willen in die Schieferhütten oberhalb des Flusses zum Sterben gelegt. Letztendlich traf die Seuche doch alle Dorfbewohner bis auf einen Jungen, der in der Nachbarregion Schafe hütete. Ein gruseliger aber irgendwie auch beeindruckender Ort und es läuft einem eiskalt den Rücken herunter, wenn man beim Blick durch das Fensterloch die Totenschädel, Rippenbögen und mit ledernder Haut überzogenen Oberschenkelknochen der damaligen Menschen erblickt.


Hungrig kommen wir etwas zu spät zum Abendessen.. Wir haben zwar auf der Zelt-Tour tatsächlich essensmäßig nicht gelitten (ein Riesendank an Eva), aber die bunte Essens-Mischung von Nino ist nach der Dusche einfach unser zweites Tageshighlight: Suppe, gebratenes Huhn, Khinkalis mit Hackfleisch, Gurken, Tomaten, gegrilltes Gemüse, Teigtaschen,... wir kapitulieren irgendwann vor dem 5-Gänge-gleichzeitig-Menü.







Den Abend verbringen wir wieder auf unserem Wehrturm-Balkon, betrachten den klaren Sternenhimmel (hier nicht ganz so phänomenal wie in den Bergen) und sind traurig, dass wir diesen schönen Ort schon morgen wieder verlassen müssen.





Diese Nacht auf knapp 1500 Metern mit einem echten Dach über dem Kopf in einem Raum mit Bett und Bettdecke... friert keiner!

"Unser" Wehrturm - zu erkennen am bunten Balkon



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