Dienstag, 4. September 2018

Tag 7: Dienstag, Vierter Reittag

Die Sonne weckt uns und der Blick aus dem Zelt ist wieder einmal traumhaft. Blauer Himmel, Berge, was will man mehr?
 Moment... da fehlt doch was beim allmorgendlichen Ausblick: Die Pferde ....sind verschwunden! Lediglich ein paar der angepflockten Pferde (inkl. meinem etwas müden "Eselchen") sind noch da, vom Rest ist trotz der herrlichen Weitsicht nichts zu sehen.

Es hat ein bisschen was vom "Dschungelcamp": Ein paar zusammengepferchte Leute in der Wildnis, die miteinander auskommen müssen und scheinbar verschiedene Challenges überstehen müssen. Nur mit dem Unterschied, dass hier definitiv keine Kameras versteckt sein können... und wir bisher auch noch weit von einem Lagerkoller entfernt sind.

Dato ist jedoch schon losmarschiert um die Pferde zu suchen; Im Tal ist keines zu sehen und so viele Wege bergauf gibt es ja schließlich nicht. Wenig später kommt erst eines, dann der Rest der Truppe bergab zurück galoppiert. Der Herdenchef hatte seinen Pflock aus dem weichen Boden gezogen und war mit dem Rest der Herde spontan auf Wanderschaft gegangen. Als wenn unser bisheriges Tagespensum an Höhenmetern nicht ausreichen würde...!



Nach dem Frühstück (Inzwischen bleiben uns nur noch Weißbrot, Käse, Haferflocken mit Milchpulver und Gurkensalat) geht es wieder bergauf und weiter den Bergkämmen folgend. Es bleibt uns ein Rätsel, wie man sich hier zurechtfinden kann ohne die Orientierung zu verlieren. Dato kann es. Auch dann, wenn der Weg komplett verschwindet, Geröllfelder gefühlt fast senkrecht abfallen und wir der Meinung sind "Da kann man doch unmöglich weiter!". Als Antwort auf unsere Blicke folgt dann ein Fingerzeig und in der Ferne erkennen wir am nächsten Berg etwas, was Ähnlichkeit mit einem ganz schmalen Ziegenpfad haben könnte.

Wo geht der Weg eigentlich weiter?




Die Schwierigkeitsstufe dieses Tages ist vermutlich auf keiner Skala zu finden. Oder für Westeuropäer zwischen "gänzlich unmöglich bis suizidgefährdend". Fotografieren oder Filmen auf diesen Passagen traut sich keiner.
Selbst uns alpengewohnten Reitern wird da etwas anders und wir fragen uns ernsthaft "brauchen wir so viel "Extrem"!? Definitiv Nein!
Dato hingegen versteht uns und unsere Sorgen und Zweifel nicht:
Manchen Leuten wird ganz anders, wenn sie an einer vielbefahrenen Straße entlang reiten und ein LKW sie überholt. Macht das Pferd einen Schritt zur Seite, dann war es das unter Umständen. Aber warum sollte ein erfahrenes Pferd das tun?

Von wo sind wir eigentlich gekommen?
Ähnlich verhält es sich scheinbar hier im Kaukasus. Die Pferde sind dort in der Gegend aufgewachsen. Besonders tollpatschige oder schreckhafte Pferde wären schon in Kindheitstagen beim Spielen oder bei Wolfsangriffen abgestürzt oder hätten sich die Beine gebrochen. Warum also sollen sie am hellichten Tage ohne dass sie in Stresssituationen sind einen falschen Schritt machen? Und im Gegensatz zu uns tun sie es wirklich nicht. Unserer Hochachtung vor diesen Pferden steigt heute jedenfalls ins Unendliche!




Der Spruch "Der Weg ist das Ziel" bekommt hier dennoch eine ganz neue Bedeutung und nicht jeder sieht die Begehbarkeit der nicht vorhandenen Wege über schwierige Passagen als so selbstverständlich an wie Dato und seine Pferde.








Andere wiederum sitzen etwas ZU tiefenentspannt auf ihren Pferden. Sigrun hat jedenfalls alle Lacher auf ihrer Seite, als ihr stehendes Pferd seitlich einem anderen ausweicht und sie in Zeitlupentempo von ihrem kleinen Wallach hinunter ins weiche Gras rutscht.







In der Pause darf wer will noch zu Fuß einen kleinen Gipfel besteigen. Frei nach dem Motto "wenn wir schonmal hier sind" geht ein Teil der Gruppe hinauf und wir spielen kurzerhand menschliches Gipfelkreuz.



Wenig später kreuzt ein Adler unseren Weg.
In der Mittagspause auf ca. 2400m gibt es haufenweise leckere Heidelbeeren zu pflücken.




Auf dem Bärenkreuzpass:
Auf der anderen Seite geht es wieder hinauf



Irgendwann hat uns die Zivilisation wieder. Oder anders gesagt: Im Tal erscheinen Wege, die Autobreite haben. Unser Weg führt über Bergkämme weiter in diese Richtung und schnell erkennen wir den Bärenkreuzpass.



Wir überqueren diesen auf genau dem Pfad, wo ein paar Tage zuvor Eike und Claudia noch fest überzeugt waren, da könne kein Pferd entlang laufen... Alle 10 Pferde können es!
Nach der Straßenquerung geht es steil bergauf auf die nächste Bergkette





Der heutige Tag macht noch einmal deutlich: "Wanderreiten" besteht aus den Worten "Wandern" und "Reiten".
Ersteres haben wir heute reichlich getan..







Insgesamt sind wir jedoch langsam voran gekommen.
Zu langsam, so dass wir unser Quartier etwas vorverlegen müssen, um nicht in die Dunkelheit zu geraten.





Auf der Wiese mit Quelle, wo wir übernachten, hat sich ein Schäfer ein bisschen Feuerholz deponiert. Wir leihen uns ein Stück aus und Dato nutzt unter unseren ungläubigen Blicken sein Messer als Axt, um das Birkenstämmchen locker lässig in kleine Feuerholzstücke zu hacken.
Kaffee und Tee, Buchweizen mit Dosen-Rindfleisch und Tomatensoße. Dazu Gurkensalat.
Gesund, nährreich und sättigend... statt Tütensuppe.













Nach dem Essen wird es kalt, so dass die "Lerchen" unserer Gruppe ihr Zelt aufsuchen, während die "Eulen" wieder mal den jedem Planetarium Konkurrenz machenden Sternenhímmel bestaunen und verzweifelt versuchen aus der Glut mit dem restlichen feuchten Holz das wärmende Feuer neu zu entfachen. Ein Gummistück, Toilettenpapier und ein luftzuwedelnder Packsack bringen letztendlich den Durchbruch und das Wissen "im Notfall können wir überleben" 😊

So richtig wärmend wird das Feuer jedoch nicht mehr. Wenigstens unser frisch aus dem Berg gezapftes Wasser können wir auf den heißen Steinen noch etwas aufwärmen: 20 °C warmes Wasser lässt sich deutlich angenehmer trinken als 2°C kaltes.



Vor unserer "Luxussuite mit Aussicht"



Auf dem etwas längeren Weg zum Zelt (wir haben diesmal in der "First class" mit Panorama-Aussicht gebaut) fällt nicht nur der nasse Boden auf.


Auch die Wolken sind etwas tiefer gesunken und beim Erreichen des Zeltes ist die Jacke vom Nebel nass und die Kälte spätestens dann nicht mehr zu ignorieren, als im Schein der Stirnlampe beim Zähneputzen die Atemluft in einer Wasserdampfwolke aufsteigt.


Um 4 Uhr ist das Gras mit einer knisternden Eisschicht überzogen... und wir müde genug um trotz der Kälte einzuschlafen

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